Eine komplette Weltreise – ganz ohne Flugzeug

Manche Ideen klingen zunächst verrückt. Schaut man etwas länger hin, erscheinen sie plötzlich machbar. Und wenn man noch genauer hinsieht, wirken sie irgendwann unausweichlich. Genau so war es mit meinem Traum, die Welt zu umrunden – ohne ein einziges Mal zu fliegen.

Einmal terran um die Welt.
Einmal terran um die Welt.

Ich genoss die Freiheit eines Gap Years und beendete gerade ein intensives Freiwilligenprojekt mit unterernährten Kindern in Angola, als ich beschloss, diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen.

Der Plan war einfach: Ich wollte meine Heimatstadt Como in Italien verlassen, ostwärts über Land und Wasser reisen, Kontinente und Ozeane überqueren und von Westen her zurückkehren. Die Reise sollte auch einem guten Zweck dienen: Ich wollte ihre Sichtbarkeit nutzen, um Spenden für Mundo Orenda zu sammeln – eine kleine NGO, die ich in Angola unterstützt hatte und die Hunderte Kinder mit Notfallhilfe und Nahrung versorgt.

Die Vorbereitung ging schnell. Ich skizzierte eine grobe Route über Land- und Seegrenzen, druckte ein paar T-Shirts mit dem Mundo-Orenda-Logo und vertraute darauf, dass sich offene Fragen unterwegs klären würden. Die größten Herausforderungen waren die Ozeane. Seit Covid-19 ist das Mitreisen auf Frachtschiffen selten geworden – Flüge sind fast unumgänglich für transozeanische Reisen. Für den Pazifik fand ich schließlich eine Lösung, aber zwei große Lücken blieben: das Kaspische Meer und der Atlantik.

Im Februar 2025 ging es los: Mit einem 100-Liter-Rucksack und offenem Geist durchquerte ich den Balkan und die Türkei per Bus. In einer Bar in Tiflis erzählte ich Einheimischen von meiner Reise, und jemand erwähnte ein transatlantisches Schiff, das die Titanic-Route von New York nach Southampton nachstellt – ein großes Fragezeichen war gelöst.

Als Nächstes stand das Kaspische Meer an. In Baku, Aserbaidschan, traf ich Bart, einen belgischen Reisenden mit dem gleichen Ziel, und wir taten uns zusammen. Mit Hilfe einer Hostel-Rezeptionistin, die unermüdlich auf Aserbaidschanisch telefonierte, erfuhren wir schließlich von einem Frachtschiff, das bald ablegen sollte. Nach einem ganzen Tag Warten im Hafen konnten wir mitten in der Nacht an Bord gehen. Dreissig Stunden später – nach Suppe und Geschichten mit Lkw-Fahrern und Seeleuten – erreichten wir die Küste von Aktau, Kasachstan. Noch ein ganzer Tag voller Wartezeit und Zollformalitäten, bis wir endlich festen Boden unter den Füßen hatten. Drei Tage Abenteuer, um einen 45-minütigen Flug zu vermeiden – aber es hat sich absolut gelohnt.

Fahrt über das Kaspischemeer.
Fahrt über das Kaspischemeer.

Von dort an verlief die Reise reibungsloser. Ich sah wilde Pferde neben einem alten sowjetischen Zug durch die kasachische Steppe galoppieren, raste mit Chinas Hochgeschwindigkeitszügen an Kolonnen von Elektroautos vorbei, erlebte die Herzlichkeit koreanischer Gastfreundschaft und verließ Japan auf einer zweiwöchigen Nonstop-Kreuzfahrt nach Kalifornien. Ich fuhr quer durch die USA auf der berühmten Route 66, feierte den Canada Day in Ottawa und den Unabhängigkeitstag in New York State. Schließlich winkte ich der Freiheitsstatue von meinem Titanic-ähnlichen Schiff aus zum Abschied und erreichte eine Woche später Großbritannien. Nach einer kurzen Fährfahrt über den Ärmelkanal war der Rest ein Kinderspiel. Ich schaffte es sogar rechtzeitig zur Street Parade nach Zürich, bevor ich im August mit dem vertrauten SBB-Zug nach Como zurückkehrte.

Nach sechs Monaten unterwegs war meine weltumspannende Reise ohne Flugzeug vollendet. Die Reise hat gezeigt, dass so ein Vorhaben möglich ist – wenn auch nicht immer einfach – und wie sehr die globale Infrastruktur noch immer auf den Flugverkehr ausgerichtet ist, besonders bei Ozeanüberquerungen und in den USA.

Unterwegs konnte ich auch Spenden für Mundo Orenda sammeln – aber der Bedarf bleibt bestehen. Wenn dich diese Geschichte inspiriert, kann schon eine kleine Spende helfen, Kindern in Angola Nahrung und Notfallhilfe zu bieten.

Um zu spenden oder Fotos und Geschichten von der Reise zu sehen, besuche mein Instagram @world.tour.ontheroad oder direkt die GoFundMe-Seite.

Vincenzo Pino

Vielen Dank für deine terrane Geschichte Vincenzo.