Zug & Fahrrad für die Forschung: Anders reisen im akademischen Kontext
Während meiner Promotion habe ich an zahlreichen Konferenzen teilgenommen. Seit Langem versuche ich, nicht zu fliegen, und reise, soweit möglich, ausschließlich mit dem Zug und dem Fahrrad. Um dieser Vorgehensweise eine klare Linie zu geben, habe ich mir eine einfache Regel gesetzt: Für jede Strecke, die sich an einem Tag mit dem Fahrrad bewältigen lässt, nehme ich das Fahrrad. Diese Entscheidung, motiviert sowohl durch Umweltaspekte als auch durch den Wunsch nach persönlicher Kohärenz und Sensibilisierung, führte zu teils anspruchsvollen, aber stets prägenden Reisen – menschlich wie beruflich. Zwei besonders bedeutende möchte ich teilen.
Ascona: eine anstrengende, aber unvergessliche Fahrt
Die Konferenz zum 60. Geburtstag von Ursula Hamenstädt auf dem Monte Verità (Ascona) war einer der ersten Tests dieser Regel. Die geplante Strecke betrug etwas mehr als 200 km und fast 3.000 Höhenmeter. Ich verließ Zürich um 4 Uhr morgens, um rechtzeitig zum Abendessen anzukommen.
Der Aufstieg zum Gotthardpass bleibt eine eindrucksvolle Erinnerung: großartige Landschaften, Schnee auf dem Gipfel, Schneeballschlacht mit Leuten oben am Pass. Die Abfahrt ins Tessin war schwieriger; die Müdigkeit machte das Ende der Strecke besonders hart. Zum Glück hatte ein Kollege zugestimmt, mein Gepäck mit dem Zug zu transportieren, was den Aufstieg deutlich erleichterte.
Bei meiner Ankunft wussten bereits mehrere Teilnehmer, dass ein Doktorand die Strecke mit dem Fahrrad zurückgelegt hatte. Das erleichterte sofort den Austausch und diente als natürlicher Gesprächseinstieg für viele Diskussionen. Es war nicht das Ziel, aber ein sehr praktischer Vorteil für einen Doktoranden, um seine Arbeit bekannt zu machen. Ein Professor war ebenfalls mit Zug und Fahrrad angereist, was eine natürliche Verbindung und ein Gesprächsthema schuf – sowohl wissenschaftlich als auch informell.
Auf dem Rückweg begleitete mich Regen bis zur Via Romana des Gotthards, aber da er während des Aufstiegs aufhörte, war die Natur ruhig, und ich hatte wunderbare Begleiter: Murmeltiere und Gämsen am Wegrand. Nichts Besseres, um die Moral während langer Anstiege hochzuhalten.
Autrans: eine Reise in eine Gelegenheit für Begegnungen verwandeln
Eine weitere prägende Erfahrung: eine Konferenz in Autrans, in den französischen Alpen nahe Grenoble. Diesmal war eine komplette Hin- und Rückfahrt mit dem Fahrrad unrealistisch: Ich liebe meine Arbeit, aber zwei ganze Wochenenden zu opfern, wäre übertrieben gewesen. Also kombinierte ich den Zug bis Grenoble und das Fahrrad für den letzten Abschnitt. Zumal nur private Shuttlebusse angeboten wurden, was für mich keine Option war.
Als ich die Organisatoren informierte, dass ich keinen Shuttle benötige, erfuhr ich, dass ein Mitglied des Komitees und sein Doktorand ebenfalls planten, mit dem Fahrrad hinaufzufahren. So machten wir den Aufstieg gemeinsam. In Grenoble nahmen Kollegen unsere Taschen, um die Fahrt zu erleichtern, und wir folgten einer alten Straßenbahntrasse, die ein lokaler Organisator kannte. Drei Stunden Diskussion: Mathematik, Konferenzprogramm, informelle Gespräche. Diese Fahrt erleichterte die Interaktionen für den Rest der Woche erheblich. Wir sind sogar während der Konferenz noch einmal mit dem Mountainbike losgezogen.
Solche Reisen schaffen auf natürliche Weise Austauschmöglichkeiten, die klassische Reisen nicht fördern.
Weitere Konferenzen in Les Diablerets, in Oberwolfach und anderswo boten ebenfalls Gelegenheit, auf emissionsarme Verkehrsmittel zu setzen. Diese Strecken waren weniger spektakulär, aber Teil derselben Haltung: anders reisen im akademischen Kontext.
Diese Vorgehensweise geht auf eine Diskussion während meines Masters zurück, über die Gefahren des Radfahrens und das teils aggressive Verhalten von Autofahrern. Ich wurde in Zürich in sechs Jahren zweimal absichtlich angefahren. Die Risiken des Radfahrens zu erklären und gleichzeitig dessen Nutzung zu fördern, bleibt für mich schwierig, da es mich persönlich betrifft. Nach einem besonders entmutigenden Gespräch erklärte mir ein Freund, dass er jetzt mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, weil:
„Wenn du solche Strecken für deine Arbeit mit dem Fahrrad machst, dann kann ich wenigstens die 5 km ins Büro radeln.“
Diese Bemerkung hat mich tief beeindruckt. Sie erinnerte mich daran, dass individuelle Entscheidungen, selbst bescheidene, inspirieren und ermutigen können. Sie zeigen, dass Alternativen existieren – selbst in einem Umfeld, in dem Reisen häufig und oft schnell erfolgen.
Anders zu reisen erfordert manchmal etwas mehr Zeit und Energie, ist aber oft menschlich bereichernder, kohärenter mit den Klimaherausforderungen und besser vereinbar mit der Richtung, die eine Forschung einschlagen sollte, die sich wirklich um ihre ökologische Wirkung sorgt.
Vielen Dank für diese inspirierende Reisegeschichte Victor.


