Rumänien-Portugal: 4.000 km mit dem Bus

Auf vielen Ebenen ist Veränderung in der Welt notwendig.

Quer durch Europa mit dem Bus
Die Planung meiner Semesterferien im März 2014 war kompliziert. Gerade hatte ich einen Master in Nachhaltigkeit an der Uni Kiel begonnen. Seither bekam ich täglich vor Augen geführt, auf wie vielen Ebenen Veränderung in der Welt notwendig ist. Nicht zu fliegen schien mir das Mindeste zu sein, was ich beitragen konnte. Aber nun wollte ich ein Seminar für Freiwilligendienstleistende in Constanţa, Rumänien, co-leiten – und kurz danach eine Freundin in Lissabon, Portugal, treffen. Dazwischen lag eine Strecke von über 4.000 km.

Nicht zu fliegen schien mir das Mindeste zu sein, was ich beitragen konnte.

Kurz dachte ich darüber nach zu trampen, aber ich fühlte mich zu unerfahren für eine so lange Strecke bei winterlichen Temperaturen. Die Website rome2rio.com gab an, dass es eine direkte Busverbindung zwischen den beiden Städten gab. Dauer der Fahrt: 3 ganze Tage. Es sollte um 22.00 Uhr am Busbahnhof von Constanţa losgehen. 72 Stunden später sollte ich in Lissabon ankommen. Der Preis lag bei erschwinglichen 130 €. Na gut, dachte ich mir, probier ich‘s mal aus.

Nach Rumänien war ich von Kiel aus sehr komfortabel mit dem Zug gereist. Mit dem Nachtzug von Berlin nach Budapest, ein sonniger Tag Aufenthalt dort und dann weiter mit dem Nachtzug bis Bukarest. Am Tag der Abreise aus Constanţa kaufte ich Lebensmittel für drei Tage und wartete aufgeregt auf dem ziemlich einsamen Busbahnhof. Mit mir stiegen nur vier Leute ein. Während zweier Stops in der Nacht füllte sich der Bus und langsam wurden mir die Herausforderungen der folgenden drei Tage klar. Erstens gab es keine Toilette und zweitens reisten außer mir nur rumänischsprachige Menschen. Niemand sprach englisch. Trotzdem hatte ich Glück, denn mein Sitznachbar war die einzige Person, die spanisch sprach – eine Sprache, in der ich immerhin bis 10 zählen konnte.

Den Namen meines Sitznachbarn habe ich heute leider vergessen, doch er war während der Tage im Bus mein Kontaktfenster zu den anderen Reisenden. Vor allem übersetzte er mir, wie lange die Pausen dauern sollten, die die beiden Fahrer etwa alle vier Stunden einlegten. Was sehr wichtig war um wieder pünktlich zur Abfahrt am Bus zu sein. Als wir die rumänisch-ungarische Grenze zum Schengen-Raum überquerten, erklärte mir mein Nachbar, dass wir nun alle ein paar Scheine in den umhergehenden Hut werfen sollten. Damit die Zollbeamten unser Gepäck nicht durchsuchten.

Langsam stellte sich eine Routine ein. Jeden Morgen begrüßte mich mein Sitznachbar mit einem fröhlichen „Buenas dias“. Ich lernte den Unterschied zwischen cinci (rumänisch für fünf) und cinşpe (fünfzehn) und konnte nun selbst erkennen, ob eine Pause nur für einen kurzen Toilettengang reichte oder ob ich mein Antitrombosetraining durchführen konnte. Das bestand aus Strecken, Liegestütze und einmal kurz in die Waagerechte legen. Wenns richtig gut lief, war noch Zeit, einen Kaffee zu trinken. Die vier Stunden zwischen den Pausen verbrachte ich ähnlich strukturiert. Eine Stunde lesen, eine Stunde Musik hören, eine Stunde aus dem Fenster gucken und essen, eine Stunde mit meinem Nachbarn radebrechen. Nachts schlafen. Lies sich eigentlich ganz gut aushalten.

Ab Italien schaute ich länger aus dem Fenster, denn die Strecke führte entlang am Meer und war atemberaubend schön. Leider nahm ab dort auch die Pausenzeit ab, denn wir hatten eine Panne. Alle Insassen und ich mussten aussteigen und mit unseren Koffern und Rucksäcken standen wir dann zwei Stunden auf einer Verkehrsinsel und warteten auf einen Ersatzbus. Ab diesem Moment hielten wir nur noch unter Zeitdruck. Ich lernte, an jedem Ort, an dem wir hielten, innerhalb von fünf Minuten eine Toilette ausfindig zu machen und rechtzeitig zurück zum Bus zu rennen.

In Spanien verließ mich mein Sitznachbar, er kehrte nach Madrid zum Arbeiten zurück. Der Bus wurde immer leerer. Mein Magen leider auch, denn bei der Kürze der Pausen war es unmöglich, noch etwas Essen zu kaufen. Schließlich kamen die letzten 5 verbliebenen Fahrgäste und ich am Busbahnhof von Lissabon an. Wegen der Panne erst nach Mitternacht.

Ich war sehr froh, die Strecke terran bewältigt zu haben, doch fürs nächste Mal nahm ich mir vor, meine Reiseziele weniger weit voneinander entfernt zu legen.

Ich war so glücklich, noch einen Bus in die Innenstadt zu erwischen, dass ich einfach einstieg und erst zu spät merkte, dass er in die verkehrte Richtung fuhr. Völlig entnervt stand ich mit dem portugiesischen Fahrer an der Endhaltestelle, von der er erst in einer Stunde wieder ins Zentrum fahren sollte. Meine schlechte Laune schien nach außen zu strahlen, denn kurzerhand startete der Fahrer den Bus erneut, fuhr mit mir zu einem Burger-Imbiss und lud mich zum Essen ein. Er sprach ein paar Brocken englisch und auch dafür war ich sehr dankbar. Eine Stunde später lies er mich direkt vor meinem Hostel raus. Ich bedankte mich überschwänglich und fiel dann todmüde in mein Hostelbett. Vier Stunden später wachte ich wieder auf. Es gab Pancakes, die Sonne schien frühlingshaft hell. Innerhalb von zehn Minuten war ich am Ufer des Tejos und nach drei Tagen Busfahrt überwältigt vom Anblick des Wassers.

Danke Anne, für deine terrane Geschichte und Danke dafür, dass du sie mit uns teilst.